Grafik, die veranschaulicht, dass die Zahl der Hitzetage und Tropennächte in Wien, Graz und Linz von 1981 bis 2021 stark zugenommen hat inklusive einer Prognose der künftigen Entwicklung bis zum Jahr 2100 mit weiter steigender Tendenz

Hitzewellen nehmen zu

Von Lina Mosshammer (VCÖ - Mobilität mit Zukunft), Juli 2022

Durch die Erderhitzung nehmen Wetterextreme wie Starkregen, Stürme und, wie derzeit stark bemerkbar, Hitze zu. Im Zeitraum der Jahre 1971 bis 1991 gab es in den meisten Österreichischen Landeshauptstädten fünf bis elf Hitzetage mit über 30 Grad. Zwischen den Jahren 1991 bis 2020 waren es bereits 16 bis 22 Hitzetage und Höchstwerte bei über 40.1 Eine Studie der ETH Zürich rechnet in Wien im Jahr 2050 mit Temperaturen wie heute im nordmazedonischen Skopje.2

Für Kärnten wird bis zum Jahr 2100 mit einem Anstieg von bis zu 4,2 Grad Celsius im Jahresmittel gerechnet. Das hat gravierende Folgen. Mit der Zunahme von Hitzetagen treten auch vermehrt gesundheitliche Risiken auf. Im besonders heißen Sommer im Jahr 2018 gab es laut AGES 550 vorzeitige Todesfälle durch Hitze in Österreich, und damit mehr als es Verkehrstote (409) in diesem Jahr gab.3

Grafik, die veranschaulicht, dass die Zahl der Hitzetage und Tropennächte in Wien, Graz und Linz von 1981 bis 2021 stark zugenommen hat inklusive einer Prognose der künftigen Entwicklung bis zum Jahr 2100 mit weiter steigender Tendenz

Insbesondere versiegelte Fläche können an heißen Tagen lokalen Hitze-Stau verursachen. Asphalt heizt sich in der Sonne auf über 60 Grad auf. In den Kernstädten wirken sich hohe Bebauungsdichte sowie versiegelte öffentliche Räume und Straßen besonders stark aufs Mikroklima aus. In den Sommermonaten entstehen laut ZAMG vier bis sechs Grad Celsius Temperaturdifferenz zwischen Stadt und Umland.4 Das Phänomen wird als „Urban Heat Island“- Effekt bezeichnet. Erfreulich ist, dass bei einer österreichweiten Städteumfrage immerhin 32 von 50 Städten angaben, Maßnahmen zur Klimawandelanpassung auf Basis einer ausformulierten und von den politischen Gremien beschlossenen Strategie zu verfolgen.

Entsiegelung als Basis gerechter Flächenverteilung

Flächenentsiegelung schafft Platz für grüne und blaue Infrastruktur und hat positiven Einfluss auf das lokale Klima. Offenporige, versickerungsfähige und gleichzeitig tragfähige Oberflächen lassen den Boden darunter atmen, binden Feinstaub und verhindern durch ihre Wasserdurchlässigkeit Überschwemmungen bei Starkregen. Derzeit sind große Pkw-Abstellplätze bei Supermärkten, Baumärkten oder Einkaufszentren graue Asphaltwüsten, die sich an heißen Tagen wie ein Backofen aufheizen. Auch hier braucht es rasch Lösungen: Während bei asphaltierten Parkplätzen kein Wasser versickern kann, können bei festem Kiesbelag immerhin 40 Prozent des Wassers versickern und bei Rasengittersteinen sogar 85 Prozent.5 Wasser, das im Boden versickert, verdunstet an heißen Tagen und kühlt dadurch die Umgebung ab. Zudem sollten großflächige Pkw-Abstellplätze mindestens einen Baum pro Stellplatz aufweisen.

In Graz wird als Teil eines Maßnahmenpakets überlegt, eine Versiegelungsabgabe für alle Neubauten einzuführen. Außerdem soll es einen Grün- und Freiflächenindikator geben, um das Überschreiten eines bestimmten Versiegelungsgrads zu verhindern. In den Städten Wien und Salzburg werden derzeit Grünflächenfaktoren ausgearbeitet. Das bietet neue Chancen, Flächen fairer aufzuteilen und lokale Hitzeinseln zu vermeiden.

Straßenbäume und Begrünung reduzieren Hitzebelastung

Eine besonders wirksame Maßnahme ist das Pflanzen von Straßenbäumen. Durch den natürlichen klimatischen Effekt wird die gefühlte Temperatur direkt unter einem ausgewachsenen Baum um etwa 15 Grad Celsius niedriger als in anderem Schatten, in der Umgebung eines Baums um bis zu 13 Grad niedriger wahrgenommen. Damit Bäume trockene, heiße Sommer überstehen, hilft das sogenannte „Schwammstadtprinzip“.6 Durchlässiger Grobkies im Straßenunterbau bietet Wurzeln Raum zur Entfaltung. Substrat in den Hohlräumen ermöglicht die verstärkte Aufnahme von Regenwasser, schützt bei Starkregen vor Überschwemmungen und saugt wie ein Schwamm das Wasser auf, das bei hohen Temperaturen durch Verdunstung wiederum an die Umgebung abgegeben wird und für Abkühlung sorgt.7     

In Linz startete eine Baumpflanzoffensive „1.000 Bäume für Linz“ und in Graz die Offensive „Maßnahmenprogramm Grazer Stadtbaum“. Im Fachkonzept Öffentlicher Raum der Stadt Wien wurde bereits im Jahr 2018 festgehalten, dass Platzbereiche durch Bäume im ausgewachsenen Zustand zu 40 Prozent überschirmt sein sollen. Bei der Aktion „Raus aus Asphalt“ wurden über 500 Ideen für begrünte Straßen und Plätze eingereicht. Damit urbane Hitze abgemildert wird, braucht es entlang von Straßen  schattenspendende Bäume und Begrünung.

Der VCÖ sucht gemeinsam mit der Bevölkerung Hitze-Hotspots in Gemeinden und Städten. Straßen und Plätze, wo es an Hitze-Tagen besonders heiß ist, können hier eingetragen werden. Die Einträge leitet der VCÖ an die Behörden der jeweiligen Stadt bzw. Gemeinde weiter. Auch Good-Practice Maßnahmen können eingetragen werden.

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Mehr Informationen zum Thema:


Quellen:

1: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/klimafakten-oesterreich-kompakt – Stand: 15.2.2022

2: https://orf.at/stories/3129860/- Stand 21.07.2022

3: Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wegener Center für Klima und globalen Wandel, Interfakultärer Fachbereich Geoinformatik der Universität Salzburg: ÖKS15 Factsheets: Klimaszenarien für das Bundesland Kärnten.

4: https://steiermark.orf.at/stories/3165647/- Stand 21.07.2022

5: Vgl. VCÖ-Publikation "Infrastrukturen für die Verkehrswende" 2022, Grafik Seite 32

6: https://www.watson.ch/schweiz/klima/563342704-klimawandel-wie-baeume-an-hitzetagen-die-staedte-kuehlen-sollen – Stand 19.10.2021

7: https://www.vcoe.at/news/details/schwammstadt-mit-saugkraft-gegen-die-klimakrise - Stand 21.07.2022


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